Covid-Spritze im Szene-Club: Berlin plant „Lange Nacht des Impfens”

Mit einer unkonventionellen Kampagne will die Berliner Landesregierung vor allem junge Leute dazu animieren, sich gegen Covid-19 impfen zu lassen. Ein Beispiel: Die „Lange Nacht der Impfung", in Kooperation mit der Club-Szene. – Foto: AdobeStock/hennyvanroomen
In einer Demokratie, die selbst dann immer noch auf Freiwilligkeit setzt, wenn die Gesundheit der gesamten Bevölkerung in Gefahr ist, muss man sich schon etwas einfallen lassen, um Menschen für sinnvolle und zugleich lästige Verpflichtungen zu begeistern. Seit Jahren ziehen in Berlin die „Langen Nächte“ der Museen“, der Wissenschaften oder Religionen mit großem Erfolg Zigtausende Menschen an, darunter viele, die sonst diese Orte vielleicht kein einziges Mal im Jahr aufsuchen würden. Um die Durchimpfung der Bevölkerung zu beschleunigen, plant die Berliner Landesregierung jetzt, mithilfe unkonventioneller Aktionen aktiv Leute anzusprechen: zum Beispiel mit einer „Langen Nacht des Impfens“, gemeinsam mit der Club-Szene.
Impfparty mitten in den Szene-Bezirken
Mit einem Anteil von 76 Prozent vollständig Geimpften liegt Berlin im Ranking der 16 Bundesländer auf Platz eins – aber nur bei über 60-Jährigen. Mit den nun angekündigten Aktionen will die Berliner Gesundheitsverwaltung nun vor allem jüngere Menschen dazu animieren, sich gegen das Coronavirus impfen zu lassen. Hintergrund ist eine befürchtete vierte Corona-Welle im Herbst, ausgelöst durch die neue Delta-Variante. Je höher die Durchimpfung der Bevölkerung, desto schwächer dürfte sie ausfallen - Stichwort „Herdenimmunität".
„Wir gehen auch andere kreative Wege. Wir wollen eine ‚Lange Nacht des Impfens' in der Arena machen, auch gemeinsam mit der Clubszene und wollen direkt auch jüngere Menschen ansprechen", sagte die Berliner Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) in einem Interview mit dem rbb-Nachtrichtenkanal Inforadio. Außerdem wolle sie die über 18-Jährigen direkt anschreiben, um sie zu motivieren, so die Senatorin weiter. Die „Arena“ in Berlin ist ein normalerweise stark besuchtes Veranstaltungsareal für Konzerte, Messen oder Ausstellungen mit Freibad und Techno-Club an der Nahtstelle der Szene-Bezirke Friedrichshain, Kreuzberg und Neukölln.
Wie eine Impfparty aussehen kann
Wie eine Impfparty aussehen kann, zeigt das Beispiel Attendorn in Nordrhein-Westfalen. In der Mittelstadt im Sauerland stieg am vergangenen Mittwoch die erste Impfparty Deutschlands. Nach einem Bericht des rbb kamen zu der vierstündigen Party knapp 160 Menschen ab 16 Jahren. „Das ist das Dreifache von dem, was wir gerade in unserem Impfzentrum impfen", sagte der Leiter des örtlichen Impfzentrums, Stefan Spieren, dem rbb. Ein stadtbekannter DJ legte zu alkoholfreien Cocktails auf, verimpft wurde der in Deutschland entwickelte Impfstoff von Biontech/Pfizer. Den Zweittermin können die jungen Erwachsenen demnach im Impfzentrum wahrnehmen. Die meisten hätten von der Party über Social Media erfahren, erzählt er Leiters des Impfzentrums. „Dafür sind wir erst angefeindet worden, aber es ist der beste Weg, um die Jüngeren zu erreichen!" Die Aktion sei mittlerweile Modell für ganz Nordrhein-Westfalen.
Drive in bei Ikea und Impfbus auf dem Wochenmarkt
Neben der Langen Nacht sind in Berlin nach Aussagen der Gesundheitssenatorin weitere „kreative Aktionen“ geplant. Ab kommenden Samstag gibt es in der Bundeshauptstadt auch eine erste Drive-In-Impfstation. Im Bezirk Lichtenberg im Berliner Osten können sich dann Autofahrer auf dem Parkplatz des Ikea-Möbelhauses an der Landsberger Allee impfen lassen. Möglich sind sowohl Erst- als auch Zweitimpfungen. Das Impfzentrum kann auch zu Fuß besucht werden. Eine Terminbuchung oder Anmeldung vorab ist nicht nötig. Sechs Wochen lang sollen dort täglich 2000 Impfdosen verabreicht werden.
Im stark von jungen Leuten sowie von Bewohnern mit orientalischem Hintergrund bewohnten Bezirk Neukölln soll am Hermannplatz testweise für etwa drei Wochen ein Impfmobil bereitstehen. Normalerweise findet dort ein Wochenmarkt statt.
Berlin: Aufsuchende Impfung in sozialen Brennpunkten
Bereits im Mai hatte die Berliner Landesregierung angekündigt, in sozialen Brennpunkten niederschwellige Impfangebote ohne Termin zu machen. Verschiedene deutsche Großstädte haben in der Vergangenheit davon berichtet, dass in ärmeren Stadtteilen mit besonders beengten Wohnverhältnissen oder einem hohen Anteil bildungsferner Bewohner auch die Zahl der Covid-19-Erkankungen häufig auffällig hoch ist.