Corona-Pandemie: „Robotersysteme können Schutz des medizinisches Personals verbessern”

Nur mit Hilfe digitaler Technologie ist es uns gelungen, die Coronakrise bisher relativ gut zu bewältigen. Das sagt der Robotik-Experte Professor Sami Haddadin von der TU-München.
„Gott sei Dank sind wir in einer Phase, in der wir schon zum großen Teil digitalisiert sind.“ Nur so hätten wir es geschafft, in der Coronakrise als Gesellschaft überhaupt funktionsfähig zu bleiben. Das sagt der Experte für Künstliche Intelligenz und Robotersysteme Prof. Dr. Sami Haddadin. Mit dem Direktor der Munich School of Robotics and Machine Intelligence an der TU München und Inhaber des Lehrstuhls für Robotik und Systemintelligenz hat Gesundheitsstadt Berlin in einem Podcast gesprochen.
Die Corona-Pandemie stelle auch eine Art Stresstest dar, der zeige, wie gut wir gerüstet sind, mit Krisen dieser Art fertigzuwerden, so Haddadin. Dass sich in den vergangenen Jahren einiges in der Digitalisierung getan hätte, sei ein Glück für uns gewesen. „Dennoch stehen wir noch am Anfang“, konstatiert der Experte.
Technologiesouveränität stärken
Noch längst seien nicht überall die Voraussetzungen geschaffen, um die bereits vorhandenen digitalen Technologien optimal zu nutzen. „Wir brauchen schnelleres Internet“. Daher sei der weitere Ausbau der 5-G-Netze sowie der Glasfaserausbau ein Thema, das unbedingt verfolgt werden müsse. Dass mit dem EU-Ausbaufonds auch die Digitalisierung in Europa stärker unterstützt werden soll, begrüßt Haddadin daher.
Doch damit sei es nicht getan. Was wir dringend benötigen, sei mehr Technologiesouveränität. Ohne digitale Kompetenz, also ohne Bildung, gehe es nicht. Denn nur diejenigen, die mit den modernen Technologien umgehen können, seien in der Lage, auch während einer Krise wie der gegenwärtigen miteinander in Verbindung zu bleiben. Digitale Technologie ist also kein Selbstzweck oder nur etwas für Fachleute, sondern die Voraussetzung, dass Menschen zueinanderkommen.
Robotersysteme können zum Schutz vor Infektionen beitragen
Doch digitale Technologie bedeutet nicht nur eine verbesserte Kommunikation in Zeiten der Kontaktsperren. Ein weiteres wichtiges Thema ist die Unterstützung des Gesundheitssystems durch moderne Robotersysteme. Denn derzeit setzen sich viele Mitarbeiter im Gesundheitswesen täglich der Gefahr einer Ansteckung mit SARS-CoV-2 aus. Intelligente Roboter könnten dazu beitragen, Personal und Patienten vor unnötigen Risiken zu schützen und die Coronakrise somit besser zu bewältigen.
Bei der Verbindung von Robotik und Künstlicher Intelligenz ist den Forschern der TU München nun ein wichtiger Schritt gelungen: Sie haben einen funktionierenden Prototypen für einen robotergestützten Rachenabstrich entwickelt und erprobt. Da gerade der Rachenabstrich eine Hochrisikosituation darstellt, könnte dies einen wertvollen Beitrag für den Schutz des medizinischen Personals darstellen.
Diese sogenannte verkörperte Künstliche Intelligenz stelle die nächste Phase der Digitalisierung dar, so Haddadin. Das sei so bedeutsam, da es in vielen Bereichen nicht ohne physische Präsenz gehe. Und genau das können die modernen Roboter leisten – auch wenn die Technologie noch in den Kinderschuhen steckt.
Abstrich durch Roboter genauso sicher wie durch Ärzte
„Gäbe es bereits ausgereifte Robotersysteme in Medizin und Pflege, würde das Corona-Infektionsrisiko für Ärzte und Pfleger sinken“, so der Robotik-Experte. Er hält ein flächendeckendes und automatisiertes Testen mit Hilfe von Robotern für möglich, was auch dazu beitragen würde, dass wir in kurzer Zeit große Mengen an Daten sammeln könnten. Und nur mit möglichst vielen Daten seien intelligente Entscheidungen über das weitere Vorgehen möglich.
Dass die neuen Systeme funktionieren, konnten erste Studien bereits zeigen. So konnte zwischen den robotergestützten und durch Menschen vorgenommenen Abstrichen eine hundertprozentige Übereinstimmung der Ergebnisse erzielt werden. Für die Patienten sei der Einsatz der intelligenten Roboter absolut sicher, da diese über einen künstlichen Tastsinn verfügen und sich an die individuelle Physis des Patienten anpassen.
Akzeptanz bei den Patienten hoch
Neben dem Rachenabstrich können Roboter und andere Tele-Assistenzsysteme noch weitere Aufgaben übernehmen, die besonders risikoreich sind. Damit könne nicht nur das Infektionsrisiko des Personals gesenkt, sondern auch Zeit gespart werden, betont Haddadin. Die Idee sei, in Zukunft mehr Ferndiagnosen zu ermöglichen, beispielsweise indem das Messen von Temperatur oder Sauerstoffsättigung durch moderne Assistenzsysteme übernommen werde.
Grundsätzlich müsse natürlich dennoch immer ein Arzt in der Nähe sein und Kontakt zum Patienten haben, erklärt der Experte. Wenn die Patienten das wissen und den Sinn der Maßnahmen verstehen, sei die Akzeptanz der neuen Systeme – nach anfänglicher Skepsis – in der Regel hoch.