Bundesärztekammer fordert Staatshaftung für Geburtsrisiken

Bundesärztekammerpräsident Frank-Ulrich Montgomery fordert eine umfassende Lösung der Haftpflichtproblematik in der Geburtshilfe
Nicht nur Hebammen seien steigenden Haftpflichtprämien betroffen. Etwa 1,5 Prozent aller Geburten würden von freiberuflichen Hebammen betreut. „Die Problematik der Haftpflichtprämien besteht aber genauso bei niedergelassenen Ärzte, Krankenhausärzten oder Krankenhausabteilungen“, sagte Montgomery am Mittwoch in Berlin.
Statt Einzellösungen für die einzelnen Gruppen schlug er „eine Art Staatshaftung für das Risiko Geburt“ vor. Ausgenommen davon soll nach seinen Vorstellungen das Risiko der groben Fahrlässigkeit sein. Es sollte weiterhin über Haftpflichtversicherungen abgesichert werden. Diese Staatshaftung gilt nach seinen Angaben zum Beispiel bei Impfschäden. Montgomery hält sie auch bei Geburten für angebracht, weil Geburtshilfe eine gesellschaftliche Aufgabe sei.
Haftpflichtproblematik bedroht wohnortnahe Geburtshilfe
Die steigenden Haftpflichtprämien hingen nicht etwa mit einer Zunahme der Kunstfehler, sondern damit zusammen, dass die Gerichte den Eltern heutzutage höhere Entschädigungssummen zubilligen, „was wir für richtig halten“, so der Ärztepräsident. Problematisch sind aus seiner Sicht aber die Haftungsregelungen. „Erhebliche Entlastung“ um 30 bis 40 Prozent brächte es Montgomery zufolge auch, das mit den Regressforderungen der Krankenkassen verbundene Risiko bei den Krankenkassen verbliebe.
Der Ärztepräsident forderte Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) im Vorfeld des Deutschen Ärztetages in Düsseldorf auf, bei der Lösung der Haftpflichtproblematik „neue Wege“ zu gehen. „Wir werden sonst erleben, dass zunehmend in kleineren Krankenhäusern und belegärztlichen Stationen die Geburtshilfe wegbricht“, warnte der Ärztepräsident. Übrig blieben nur noch große Geburtszentren. Das sei mit dem Anspruch flächendeckender wohnortnaher Versorgung nicht vereinbar.
Gefordert: Qualitätsinstitut mit ärztlichem Sachverstand
Änderungen mahnte Montgomery auch bei den Plänen des Gesundheitsministers für ein Qualitätsinstitut an. Die Bundesärztekammer fordert gemeinsam mit ihren Schwesterorganisationen Zahnärzte- und Psychotherapeutenkammer, dass sie mit je einem Sitz im Vorstand der Stiftung und einem unmittelbaren Antragsrecht beim Gemeinsamen Bundesausschuss ausgestattet werden. Nötig sei keine Behörde um Qualität zu verwalten, sondern Unterstützung, um Qualität zu produzieren, sagte Montgomery. „Das geht aber nur, wenn man ärztlichen Sachverstand ausreichend einbindet.“
Über das Qualitätsinstitut berät aktuell der Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages im Rahmen einer öffentlichen Anhörung zum Gesetz zur Weiterentwicklung der Finanzstruktur und der Qualität in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-FQWG).
Mit Blick auf den Deutschen Ärztetag richtete Montgomery eine Reihe weiterer Forderungen an Gröhe. Hohe Priorität räumt er unter anderem auch einer Reform der Krankenhausfinanzierung ein. Er erwartet eine „deutliche“ Regelung zur Investitionsfinanzierung durch die Länder und „Sonderlösungen“ für Unikliniken und kleine Grundversorger im Rahmen der Fallpauschalenvergütung.
Foto: Gesundheitsstadt Berlin (Archivbild)