Bluttest auf Trisomie: Kritik von Pränatalmedizinern

Ab Endes des Jahres haben Schwangere mit bestimmten Risiken den Anspruch auf einen Bluttest auf Trisomien des Ungeborenen – Foto: ©artursfoto - stock.adobe.com
Der Bluttest auf Trisomie beim Ungeborenen wird Ende 2020 Kassenleistung. Nun kommt Kritik vom Berufsverband niedergelassener Pränatalmediziner (BVNP). Sie kritisieren die vom Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) dazu entwickelten Versicherteninformationen. Sie wiesen fachliche und inhaltliche Mängel auf, psychosoziale und ethische Aspekte seien nicht ausreichend berücksichtigt
Sobald werdende Eltern den positiven Schwangerschaftstest in der Hand halten, beschäftigt sie die Frage, ob ihr Baby gesund zur Welt kommt. Um das Risiko für Fehlbildungen einzuschätzen, kann unter anderem ein Bluttest auf kindliche Chromosomenanomalien, etwa eine Trisomie 21 (Down-Syndrom), durchgeführt werden. Dieser nicht-invasive pränatale Test (NIPT) wird zukünftig für Schwangere mit bestimmten Risiken von der Kasse bezahlt.
Versicherteninformationen mangelhaft
Doch worüber gibt er Auskunft und wo liegen seine Grenzen? Wo gibt es in schwierigen Situationen Unterstützung? Antworten soll die Versicherteninformation. Doch der BVNP sieht darin gravierende Mängel und fordert mit anderen medizinischen Fachverbänden, kirchliche Institutionen, Sozialverbänden, Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen und Selbstvertretungsgruppen eine grundlegende Überarbeitung, heißt es in einer Pressemitteilung.
Bei dem NIPT-Bluttest wird kindliche DNA aus mütterlichen Zellen untersucht. Diese Untersuchung ermöglicht ein zielgerichtetes Screening beim Ungeborenen im Mutterleib auf Chromosomenstörungen wie die Trisomien 21 (Down-Syndrom), 13 (Pätau-Syndrom) und 18 (Edwards-Syndrom). Im Gegensatz zu den invasiven Verfahren handelt es sich bei dem NIPT-Test allerdings um ein Suchverfahren (Test) und nicht, wie bei der Fruchtwasseruntersuchung, um ein beweisendes Diagnoseverfahren.
Punktion der Gebärmutter unerlässlich
Eine diagnostische Punktion der Gebärmutter - wie sie etwa bei einer Fruchtwasseruntersuchung (Amniozentese) oder Plazentaprobe (Chorionzottenbiopsie) durchgeführt wird - ist bei auffälligem Bluttestest zum Beweis nach Ansicht des BVNP unerlässlich.
"Jeder NIPT-Bluttest hat eine gewisse Fehlerrate. Je jünger die Schwangere ist, desto eher kann er falsch positiv sein. Auch ist seine Leistungskraft keineswegs so groß ist wie bei der Nackentransparenzmessung, wenn sie in Verbindung mit früher Ultraschallfeindiagnostik zur Überprüfung der fetalen Organentwicklung durchgeführt wird", betont Prof. Alexander Scharf, Präsident des BVNP. In der Versicherteninformation werde die Aussagekraft beider Verfahren jedoch fälschlicherweise gleichgestellt.
Psychosoziale Aspekte nicht berücksichtigt
Zudem fehlt aus Sicht des BVNP der Hinweis darauf, dass der Bluttest in Kombination mit einer Nackentransparenzdiagnostik und früher Ultraschallfeindiagnostik nur von spezialisierten Ärzten standardmäßig durchgeführt wird. Weiter kritisiert Scharf, dass die Frage, in welchen Fällen der NIPT-Test vor allem zum Einsatz kommen sollte, nicht ausreichend beantwortet werde. Zudem werde zu wenig deutlich, dass ein unauffälliges Testergebnis keineswegs die Geburt eines Kindes ohne Behinderung bedeute.
Auch psychosoziale Aspekte beurteilte er kritisch: "Die Versicherteninformation macht zu wenig deutlich, in welcher Weise eine psychosoziale Beratung für Paare hilfreich sein kann", betont der Präsident des BVNP. "Dabei ist sie eine entscheidende Ergänzung der ärztlichen, pränataldiagnostischen Beratung - sowohl bei der Frage, ob ein NIPT-Bluttest oder ein anderes Verfahren durchgeführt werden sollte als auch nach einem auffälligen Befund." Konkrete Hinweise auf Beratungsstellen für Familien fehlten. Zudem sei nicht erwähnt, dass Ärzte die Pflicht haben, Hinweise auf solche Beratungsstellen zu geben beziehungsweise werdende Eltern in schwierigen Situationen dorthin zu vermitteln.
Bluttest auf Trisomie: Kritik von Pränatalmedizinern
Was die Versicherteninformation zum Bluttest auf Trisomie betrifft geht die Kritik der Pränatalmediziner noch weiter: "Die Broschüre wirft einen defizitorientierten Blick auf das Leben von Menschen mit Fehlbildungen wie der Trisomie 21", so Scharf. "Dadurch können Ängste vor einem Kind mit Behinderung geschürt werden."
An einer umfassenden Überarbeitung der Versicherteninformation sollten auch Mütter und Familien mit einem Kind mit Trisomie 13, 18 oder 21, Selbsthilfegruppen und Menschen mit Down Syndrom sowie Frauen oder Paare, die eine Geburt mit palliativer Begleitung oder einen Spätabbruch erlebt haben, beteiligt werden.
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