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Blinddarmentzündung: Antibiotika statt OP?

Freitag, 13. April 2018 – Autor:
Eine akute Blinddarmentzündung bei Kindern muss nicht immer sofort operiert werden. Neue Studien zeigen, dass einige Patienten mit Antibiotika behandelt werden können.
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Ein Blinddarmentzündung bei Kindern muss nicht immer operiert werden – Foto: ©juan_aunion - stock.adobe.com

Eine akute Blinddarmentzündung macht nicht immer eine sofortige Operation erforderlich. Neue internationale Studien belegen, dass Kinder in vielen Fällen zunächst mit Antibiotika behandelt werden können. Der wichtigste Faktor bei der Entscheidungsfindung ist eine Ultraschall-Untersuchung.

In anderen Fällen lässt sich eine Appendektomie, wie Ärzte die Entfernung des wurmartigen Fortsatzes nennen, nicht vermeiden. Wann Antibiotika in Frage kommen, und wann besser operiert werden sollte, erläutern Experten auf einer Vorab-Pressekonferenz anlässlich des 135. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie (DGCH) in Berlin.

Blinddarmentzündung mit Antibiotika statt OP behandeln

Etwa jeder zehnte Deutsche hat seit seiner Kindheit eine Blinddarmnarbe. Die Appendektomie gehört zu den häufigsten Operationen überhaupt, in Deutschland wird sie jedes Jahr über 100.000 Mal durchgeführt. Lange Zeit rieten die Chirurgen bei Verdacht auf eine Blinddarmentzündung auch bei Kindern unmittelbar zur Operation, um schwere Entzündungen der gesamten Bauchhöhle zu vermeiden. Die können auch heute noch ein lebensgefährliches Risiko darstellen.

Heute werden Antibiotika auch bei bereits fortgeschrittenen Blinddarmentzündungen meist als erstes eingesetzt. Dies geschieht mit dem Ziel, solche schweren Komplikationen zu vermeiden sowie eine OP sicherer zu machen, berichtet DGCH-Präsident Prof. Jörg Fuchs.

In 40 Prozent der Fälle muss dann aber doch operiert werden

Sicherheit und Effektivität der Antibiotika-Behandlung bei Kindern mit Blinddarmentzündung sei vor zwei Jahren erstmals in einer Studie des Astrid Lindgren Kinder-Hospitals in Stockholm belegt worden, fügt der Direktor der Klinik und Poliklinik für Kinderchirurgie und Kinderurologie am Universitätsklinikum Tübingen hinzu. Seither kamen weitere Studien hinzu.

"Zu den Vorteilen gehört, dass den Kindern eine Narkose und eine - wenn auch vergleichsweise einfache - Operation erspart bleibt." Vorerst jedenfalls. "Die Misserfolgsrate der Antibiotikabehandlung ist mit bis zu 40 Prozent relativ hoch", berichtet Prof. Bernd Tillig, Direktor der Klinik für Kinderchirurgie, Neugeborenenchirurgie und Kinderurologie am Berliner Vivantes Klinikum Neukölln.

"In diesem Fall müssen die Kinder dann doch nach einigen Tagen operiert werden", fügt der stellvertretende Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kinderchirurgie (DGKCH) hinzu. Auch von den Kindern, die als geheilt entlassen werden, erkranken 30 Prozent in der Folgezeit erneut an einer Blinddarmentzündung. Bei einem solchen Rezidiv entscheiden sich Eltern und Ärzte dann in der Regel für eine Operation, auch wenn im Prinzip erneut eine Behandlung mit Antibiotika versucht werden könnte.

Kaum Komplikationen nach Intervall-Appendektomie

Eine interessante Alternative ist die Intervall-Appendektomie. Die Kinder erhalten zunächst Antibiotika. Die Operation erfolgt, wenn sie sich von der Entzündung erholt haben. "Diese vorbeugende Operation gilt als besonders sicher", erläutert Tillig. Komplikationen sind nach einer Intervall-Appendektomie sehr selten, wenn auch prinzipiell möglich, fügt der Berliner Kinderchirurg hinzu.

In der Vergangenheit führte die Angst vor einem geplatzten Blinddarm dazu, dass Chirurgen auf eine schnelle Operation drängten. "Viele Appendektomien wurden durchgeführt, obwohl der Blinddarm gar nicht entzündet war", so Tillig. "Wenn wir Chirurgen dies bei der Operation sahen, wurde der Wurmfortsatz in der Regel vorsorglich entfernt."

Wurmfortsatz früher oft grundlos entfernt

Heute sind Fehldiagnosen selten geworden. "Die Antibiotika und Schmerzmittel, die die Kinder erhalten, geben uns Zeit, die Diagnose genau zu stellen", erklärt Tillig. Dies geschieht heute vor allem mit einem Ultraschallgerät. Ultraschall vermeidet nicht nur die Strahlendosis einer CT-Untersuchung, eine Sonographie ist auch sehr zuverlässig. 

"Wenn eine akute Appendizitis vorliegt und der Wurmfortsatz verdickt ist, sehen wir das zu 90 Prozent im Ultraschall", so Tillig. Aber auch wenn es sich nicht um eine Appendizitis handelt und die Bauchschmerzen andere Ursachen haben müssen, zeigt sich dies zu 95-prozentiger Sicherheit im Ultraschall. "Es kommt heute nur noch selten vor, dass wir einen Wurmfortsatz grundlos entfernen", betont Tillig.

Foto: juan_aunion/fotolia.com

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