Bewegung kann so wirksam sein wie Medikamente

Bewegung ist gut - aber es muss nicht gleich Hochleistungssport sein
Wie positiv sich körperliche Aktivität auf die Gesundheit auswirken kann, hat bereits eine Reihe von Studien gezeigt. Nun hat eine Meta-Analyse die Gesamtwirkung von Sport auf die Morbidität und Mortalität der Bevölkerung sowie die Wirkung in einzelnen Bereichen untersucht. Die Studie „Körperliche Aktivität als Medikament“ wurde im Juli 2018 in der Publikation „Arzneiverordnung in der Praxis“ veröffentlicht, welche vierteljährlich von der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft herausgegeben wird.
Grundlage der Auswertung waren mehrere Studien mit insgesamt über einer Millionen Probanden. Eines der Ergebnisse: Durch körperliche Aktivität können Gesamtmorbidität und -mortalität der Bevölkerung um 30 bis 40 Prozent gesenkt werden – jedenfalls im Vergleich mit Personen, die keinerlei Bewegung in ihren Alltag einbauen oder keinen Sport treiben, also nahezu inaktiv sind.
Bewegung wirkt nicht nur präventiv, sondern auch als Therapie
Es gilt heute als gesichert, dass Bewegungsmangel oder langes Sitzen neben dem Rauchen die wichtigsten Risikofaktoren für verschiedene Krankheiten darstellen. Regelmäßige Bewegung wird daher schon seit längerem sowohl zur Prävention als auch zur Rehabilitation eingesetzt. Seit einiger Zeit wird körperliche Aktivität aber auch zunehmend gezielt als Therapie empfohlen. Dies gilt für kardiovaskuläre Erkrankungen, aber auch für Stoffwechsel-, neurologisch-psychiatrische und viele andere Erkrankungen.
Muskeln und Herz-Kreislauf-System profitieren am meisten von Bewegung
Bewegung hat vielfältige Auswirkungen auf die Organe und Organfunktionen. Vor allem das Muskel- und Skelettsystem wird positiv beeinflusst. Auch kommt es im Laufe der Zeit zu Anpassungen des Herz-Kreislauf-Systems, einer Blutdrucksenkung und einer verbesserten Endothelfunktion. Zahlreiche Studien zeigen, dass körperliche Aktivität bei koronarer Herzkrankheit zu einer signifikanten Senkung der Sterblichkeit führt. Auch bei der Herzinsuffizienz wird heute – im Gegensatz zu früher – zu körperlicher Aktivität geraten. Ebenso wirkt sich der Metaanalyse zufolge bei der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit ein konsequentes Gehtraining positiv aus – offenbar sogar besser als oder gleich gut wie eine Gefäßdilatation mit Stenteinlage.
Körperliche Aktivität kann Nebenwirkungen einer Chemotherapie reduzieren
Ein vergleichbares Bild ergibt sich bei Diabetes mellitus. Körperliche Aktivität kann die benötigte Menge an Medikamenten senken und die Insulinresistenz reduzieren. Morbidität und Mortalität werden langfristig gesehen um bis zu 40 Prozent gesenkt. Ebenfalls zu sportlichen Aktivitäten geraten wird bei vielen Lungenerkrankungen und einer chronischen Nierenerkrankung.
Auch in der Onkologie wird körperliches Training heute als wesentlicher Bestandteil der Therapie angesehen – vor allem während einer Chemotherapie. Hier kann Bewegung dazu beitragen, die Therapie besser zu verkraften. Bewegungstherapien werden ebenfalls bei Osteoporose, neurologischen Erkrankungen und zur Verbesserung der Stoffwechselfunktion empfohlen. Beim Fatigue-Syndrom gilt körperliche Aktivität derzeit als effektivste Behandlungsform.
Depressionen können durch Sport reduziert werden
Auch in der Psychiatrie gilt regelmäßige Bewegung als wichtige Begleittherapie, zum Beispiel bei der Behandlung von Depressionen. In Tierversuchen konnte sogar die Neurogenese im Hippokampus durch körperliches Training deutlich gesteigert werden. In der Prävention der Demenz wird die Wirkung von Sport noch diskutiert – mittlerweile gibt es jedoch einige Hinweise auf eine positive Wirkung.
Nach Angaben der Studienautoren ist regelmäßige körperliche Aktivität bei vielen Erkrankungen einer medikamentösen Therapie überlegen. Zudem wirkt sie auf vielfältigere Weise und hat kaum schädliche Nebenwirkungen. Daraus entwickelte sich der Ansatz, körperliche Aktivität mit einem Rezept zu verordnen, wofür allerdings sportmedizinische Kenntnisse notwendig sind.
Mit niedriger Intensität beginnen und dann steigern
Doch wieviel soll nun trainiert werden? Von den meisten Fachgesellschaften wird derzeit ein moderates aerobes Ausdauertraining für mindestens 150 Minuten pro Woche oder aber ein intensives Ausdauertraining für 75 Minuten pro Woche empfohlen. Zusätzlich wird zu einem Krafttraining zweimal pro Woche mit mehreren Übungen und Wiederholungen geraten. Für Einsteiger ist es wichtig, mit niedriger Intensität zu beginnen und diese langsam zu steigern.
Zu den Sporteinheiten kommen noch die regelmäßigen Alltagsaktivitäten wie Treppensteigen, Gartenarbeit, Einkaufen (zu Fuß!) sowie Gymnastik. Für Menschen mit langjährigem Bewegungsmangel oder Inaktivität ist der Einstieg zur Aktivität mitunter schwierig. Gerade bei ihnen stellen sich aber oft schnelle Fortschritte ein- auch ohne dass gleich Höchstleistungen erbracht werden müssen. Der wichtigste Schritt ist also überhaupt der Übergang von absoluter Inaktivität zur Integration von Bewegung in den Alltag.
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