
Haarproben zeigen: Bei Asylsuchenden ist die Cortisol-Konzentration um 42 Prozent höher als bei deutschen Vergleichspersonen
Kurz nach der Ankunft in Deutschland weisen Flüchtlinge deutliche Stressanzeichen auf. Das belegt eine Untersuchung der Universität Marburg. Die Forscher hatten Haarproben von kürzlich eingereisten Asylsuchenden auf Cortisol untersucht und fanden 42 Prozent mehr von dem Stresshormon als bei deutschstämmigen Vergleichspersonen. Schon länger hier lebende Migranten aus der Türkei hatten dagegen einen Cortisolwert, der um 23 Prozent niedriger lag, als bei den Bio-Deutschen.
Ein weiteres Ergebnis der Studie: Lag eine Posttraumatische Belastungsstörung vor, war der Cortisolspiegel nicht höher als wenn diese Diagnose nicht vorlag. Ein Teil der untersuchten Flüchtlinge hatte diese Nebendiagnose.
Cortisolproduktion beeinflusst die Gesundheit
„Wer gerade erst traumatisierende Erfahrungen hinter sich hat, weist relativ hohe Cortisolwerte in den Haaren auf, während man bei Personen, deren Traumatisierung schon länger zurückliegt, eher niedrige Werte findet“, fasst die Erstautorin Ricarda Mewes von der Philipps-Universität Marburg die Ergebnisse zusammen. Vermutlich leite der Körper Gegenmaßnahmen ein, nachdem es zu einer Traumatisierung gekommen sei. Das kann gesundheitliche Folgen haben. „Sowohl eine zu hohe als auch eine zu niedrige Cortisolproduktion birgt das Risiko, dass sich eine stressbedingte Erkrankung entwickelt“, sagt Mewes.
Haarproben zeigen den Stresspegel
Die Cortisol-Konzentration in den Haaren erlaubt es, die Ausschüttung des Hormons rückblickend über einen Zeitraum von mehreren Monaten zu erheben. Das körpereigene Hormon, das zu den Glucokortikoiden zählt, ist an vielen Stoffwechselvorgängen beteiligt und wird bei Stress vermehrt freigesetzt. Da es dämpfende Wirkung auf das Immunsystem wird es in der Medizin häufig genutzt, um überschießende Reaktionen zu unterdrücken und Entzündungen zu hemmen.
Die Studie “Elevated hair cortisol concentrations in recently fled asylum seekers in comparison to permanently settled immigrants and non-immigrants” ist die erste Studie zur Cortisol-Konzentration im Haar, die jüngst geflüchtete Personen mit dauerhaft ansässigen Migranten verglichen hat. Sie wurde vom Europäischen Flüchtlingsfonds und die Volkswagenstiftung gefördert und im Fachmagazin „Translational Psychiatry“ publiziert.
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