Antidepressivum wirkt gegen Coronavirus

Viele Medikamente wirken auch gegen Krankheiten, für die sie zunächst weder gedacht waren noch zugelassen wurden – Antidepressiva möglicherweise auch gegen COVID-19. – Foto: ©joyfotoliakid - stock.adobe.com
Seit Dezember 2019 breitet sich SARS-CoV-2 rund um den Erdball aus. Weltweit wurden bislang mehr als sieben Millionen Infizierte registriert und mehr als 400.000 Todesfälle. Wegen des Shutdowns im öffentlichen und wirtschaftlichen Leben erwarten Experten die schwerste Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg. Je früher es Medikamente und Impfstoffe dagegen gibt, umso geringer wird der Schaden sein.
Weil das Coronavirus aber ein neues Virus ist, müssen Wirkstoffe erst noch entwickelt und zugelassen werden, damit sie ihrerseits sicher keinen Schaden anrichten. Aber das braucht Zeit. Forscher der Universität Würzburg haben deshalb die Strategie gewählt, bereits vorhandene Arzneiwirkstoffe daraufhin zu untersuchen, ob sie möglicherweise auch gegen das Coronavirus wirken. Das Ergebnis ihres Labortests mit menschlichen Zellen: Ein seit vielen Jahren zugelassenes Medikament gegen Depressionen hindert das neuartige Coronavirus daran, sich in Körperzellen des Menschen zu vermehren.
Einer der von den Würzburger Wissenschaftlern untersuchten, bereits verfügbaren Arzneistoffe waren die „Selektiven Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer“ (SSRI). Sie bilden eine der bedeutendsten Wirkstoffgruppen gegen Depressionen und weitere psychische Erkrankungen. Ein Wirkstoff aus dieser Gruppe, das „Fluoxetin“, wurde beispielsweise bereits in den 1970-Jahren in Kliniken eingeführt und gilt als ein sehr gut erforschtes Medikament.
„Fluoxetin wirkt schon in geringer Konzentration“
Im Labor haben die Wissenschaftler jetzt menschliche Zellen mit dem Wirkstoff in Kontakt gebracht – und zwar in Konzentrationen, die üblicherweise bei der Therapie von Depressionen erreicht werden. Anschließend wurden die Zellen mit SARS-CoV-2 infiziert. Nach einigen Tagen wurde die Auswirkung auf das Virus kontrolliert. „Fluoxetin hemmt SARS-CoV-2 bereits in einer sehr geringen Konzentration“, sagt Studienleiter Jochen Bodem vom Institut für Virologie und Immunbiologie der Würzburger Julius-Maximilians-Universität. An der Studie beteiligt waren auch Forscher des Instituts für Organische Chemie.
Dass das Antidepressivum auch gegen das Coronavirus wirkt, hängt aber offenbar nicht mit der Hauptwirkung der SSRI zusammen: Diese besteht in einer Erhöhung des Konzentration Botenstoffs Serotonin im Gehirn, der dort eine ganze Reihe von Gefühlszuständen reguliert – insbesondere Ängste, Aggressivität, Kummer. In den Würzburger Studien zeigte sich, dass andere Medikamente aus der gleichen Stoffgruppe, die Vermehrung des Coronavirus nicht behinderten.
Antidepressivum hindert Coronavirus daran, Zellbausteine zu bilden
Die antivirale Wirkung von Fluoxetin kommt der Studie zufolge dadurch zustande, dass es die Proteinbildung im Coronavirus hemmt. Diese Eiweiß-Bausteine braucht das Virus aber, um sich in der menschlichen Zelle zu vermehren. Zu dieser Erkenntnis gelangten die Forscher in Untersuchungen mit Immunfluoreszenz an einem vom Patienten gewonnenen Antiserum. Was die Studie ebenfalls zeigt: dass Fluoxetin offenbar sehr speziell auf Viren vom Typ SARS-CoV-2 wirkt. Bei anderen Erregern wie dem Tollwutvirus oder dem Herpesvirus konnten die Wissenschaftler keine antiviralen Effekte beobachten.
Fluoxetin: Patent abgelaufen, günstig erhältlich
In Deutschland wurde Fluoxetin im Jahr 1990 zugelassen – als Medikament gegen schwere Depressionen, Angst- und Zwangsstörungen sowie Ess-Brech-Sucht (Bulimie). Nach Aussagen der Würzburger Wissenschaftler ist Fluoxetin international seit mehr als 40 Jahren im klinischen Einsatz und gut erforscht. Weil das Patent abgelaufen sei und verschiedene Pharmahersteller das Mittel produzierten, sei es auch leicht verfügbar und im Preis günstig.
Forschungsinstitute und Pharmaunternehmen weltweit arbeiten mit Hochdruck an der Entwicklung an Impfstoffen und Medikamenten gegen das Coronavirus und die von ihm ausgelöste Krankheit. Nach Angaben des Verbands Forschender Arzneimittelhersteller (vfa) arbeiten allein in Deutschland derzeit 28 Pharmaunternehmen an der Erforschung oder Entwicklung von Impf- oder Wirkstoffen. 39 sind es im gesamten deutschsprachigen Raum. Weltweit sind nach vfa-Zahlen inzwischen rund 100 Impfstoffprojekte angelaufen.
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