Ärzte schreiben offenen Brief an Dr. Google

Google’s „Knowledge Graph“ zu Diabetes: Nach Ansicht von Ärzten qualitativ indiskutabel
Google hat Macht. Auch in Gesundheitsfragen wird der Internetkonzern zunehmend zum Berater. Seit Anfang des Jahres erscheinen auf der amerikanischen Version von google.com sogenannte „Knowledge Graph“ – mit Empfehlungen von "Dr." Google. Angeblich wurden die Inhalte zuvor von Ärzten überprüft. Doch bei so manchen Ratschlägen werden selbst Laien stutzig: Beispielsweise wird Aspirin bei Diabetes Typ 2 oder Antihistaminika bei Grippe als Selbstmedikation empfohlen. Wer’s glaubt wird selig - oder vielleicht sogar krank? Ärzte sehen jedenfalls diese Gefahr und warnen vor gefährlichem Halbwissen. „Was Google auf diesen Medizinseiten empfiehlt, ist qualitativ indiskutabel und für viele Patienten geradezu gefährlich“, sagt der Diabetologe Professor Werner Scherbaum vom Webportal www.frag-den-professor.de, einem Zusammenschluss von über 70 deutschen habilitierten Fachärzten. Es sei unverantwortlich, Menschen, die medizinische Informationen suchen, so etwas zuzumuten, „gerade von einem der renommiertesten Unternehmen der Welt.“
„Nehmen Sie die Inhalte sofort aus dem Netz, Herr Schmidt“
Ihre Besorgnis über die Google-Ratschläge haben die Professoren am Montag in einem offenen Brief an Eric Schmidt adressiert. Schmidt leitet die Gesundheitssparte von Google, die im August in das Unternehmen „Alphabet“ ausgegliedert wurde. In dem offenen Brief wird Google geraten, die Texte sofort zur Überprüfung aus dem Netz zu nehmen. Die Inhalte enthielten falsche und irreführende Angaben und könnten zu Gesundheitsschädigungen bei Menschen führen. Es sei schwer zu glauben, dass die Texte von durchschnittlich elf Ärzten gelesen und genehmigt worden sein sollen. „Bitte tun Sie Europa den Gefallen, medizinische Informationen dieser Art hier solange nicht zu veröffentlichen, bis diese hinsichtlich vertrauenswürdiger Inhalte ordnungsgemäß überprüft wurden“, heißt es weiter.
Dr. Google kann auch von Deutschland aus besucht werden
Die Dr. Google-Inhalte erscheinen zwar in der deutschen Google-Suche nicht. Doch wer in der Spracheinstellung „Englisch“ wählt, kommt auch von Deutschland aus auf die amerikanischen Seiten. „Wir hoffen, dass der Brief Google auf die Missstände aufmerksam macht und zu einer Überarbeitung der Inhalte führt“, erklärt Scherbaum, der über ein Jahrzehnt Vorsitzender der Leitlinienkommission der Deutschen Diabetes-Gesellschaft war.
Bislang habe Google den Brief ignoriert, teilte der Pressesprecher des Professorenportals Oliver Plantenberg auf Nachfrage mit. Die fragwürdigen Inhalte stehen unterdessen weiter im Netz.