73 Millionen Euro Schaden durch Korruption und Abrechnungsbetrug

Ein Millionenschaden entsteht jedes Jahr in Deutschland durch Wirtschaftskriminalität im Gesundheitswesen. – Foto: AdobeStock/Ocskay Mark
Durch Korruption, Abrechnungsbetrug und Abrechnungsmanipulationen sind dem Gesundheitswesen erneut Finanzmittel in zweistelliger Millionenhöhe entzogen worden. Das ergibt sich aus dem aktuellen „Fehlverhaltensbericht“ des AOK-Bundesverbands für die Kalenderjahre 2020/2021. Allein für den Bereich der AOK-Gemeinschaft beläuft sich der Schaden auf rund 73 Millionen Euro.
Die „Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK) setzt sich aus bundesweit elf rechtlich selbstständigen Krankenkassenregionen zusammen, bei denen mehr als 27 Millionen Menschen versichert sind – rund ein Drittel der deutschen Bevölkerung. Der Schaden für das Gesundheitswesen insgesamt dürfte also um ein Vielfaches höher liegen. Im Gesamtbereich der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) würde damit ein wahrscheinlich dreistelliger Millionenbetrag für die Versorgung kranker und pflegebedürftiger Menschen fehlen – erst recht, weil noch dazu von einer hohen Dunkelziffer auszugehen ist.
Betrugsschäden: 35 Millionen werden bereits zurückgefordert
Die genannte Schadenssumme beziffert dabei den tatsächlich entstandenen Gesamtschaden. Eine weitere jetzt von der AOK publizierte Zahl sind die sogenannten Forderungen: Das sind aus den illegalen Praktiken resultierende Schäden, die bereits juristisch unanfechtbar festgestellt wurden, insbesondere durch Urteile, Vergleiche, gerichtliche und/oder außergerichtliche Einigungen. Diese summieren sich dem Bericht zufolge auf 35,4 Millionen Euro im Zeitraum 2020/2021 allein für die AOK-Gemeinschaft.
Leistungsbetrug: Die meisten Fälle im Bereich der Pflege
Insgesamt wurden im Berichtszeitraum von den elf AOKs insgesamt 13.662 Fälle verfolgt. Diese unterteilen sich in 7.400 neue Fälle und 6.262 Bestandsfälle. 7.432 Fälle konnten im Berichtszeitraum abgeschlossen werden. An erster Stelle steht, wie bereits in den Jahren 2018/19, Fehlverhalten im Kontext der Pflege und der häuslichen Krankenpflege mit 1.943 neuen Fällen. Allein in diesem Bereich konnten 11,25 Millionen Euro aufgrund falsch und betrügerisch abgerechneter Leistungen für die Versichertengemeinschaft gesichert werden.
Brisanter Fall von organisierter Kriminalität: Abrechnung von Pflegeleistungen, die nie erbracht wurden
Besonders brisant war ein Fall in Bayern im Oktober 2019. Der Ermittlungsverdacht richtete sich gegen organisierte Kriminelle bei 13 Pflegediensten. Diese sollen gegenüber den Kranken- und Pflegekassen Leistungen im großen Stil abgerechnet haben, die tatsächlich nicht erbracht worden sind. Diese Leistungen stellten sich als medizinisch nicht notwendig heraus und wurden durch Vorspiegelung falscher Tatsachen beziehungsweise durch Gefälligkeitsgutachten von Ärzten erschlichen. Gegen zahlreiche Beteiligte wurde noch keine Anklage erhoben, da die Ermittlungen der Strafverfolgungsbehörden noch nicht abgeschlossen sind. Der finanzielle Schaden beträgt laut Urteil über drei Millionen Euro.
Wirtschaftskriminalität im Gesundheitswesen: Es fehlt an spezialisierten Staatsanwälten
Zur Bekämpfung des sogenannten Fehlverhaltens kooperieren die AOK untereinander, wie auch mit anderen gesetzlichen Krankenkassen sowie dem GKV-Spitzenverband. Für eine effiziente Fehlverhaltensbekämpfung seien jedoch auch entsprechend ausgestattete Ermittlungsbehörden notwendig, sagte die AOK-Vorstandsvorsitzende Carola Reimann. Die gebe es aber bisher in Deutschland nicht flächendeckend. Daher sollten in allen Bundesländern spezielle Schwerpunktstaatsanwaltschaften eingeführt werden, die sich mit landesweiter Zuständigkeit ausschließlich mit Wirtschaftskriminalität im Gesundheitswesen befassen.
Erkenntnisse des Bundeskriminalamts über den bundesweit organisierten Abrechnungsbetrug, zum Beispiel durch Pflegedienste, hätten aufgezeigt, dass zur effektiven Verhinderung von Fehlverhalten eine organisationsübergreifende GKV-Datenbank zur Betrugsprävention erforderlich sei. „Deshalb setzt sich die AOK dafür ein, eine organisationsübergreifende Betrugspräventions-Datenbank für Kranken- und Pflegekassen aufzubauen“, sagt AOK-Vorstandchefin Reimann.